Die Stellwerke der Kremmener Bahn
Stellwerke sind Einrichtungen der Eisenbahn, die der normale Fahrgast für gewöhnlich nicht wahr nimmt. Andererseits kann es ohne sie keinen rationalen Eisenbahnbetrieb geben. Das Bertelsmann-Lexikon definiert das Stellwerk wie folgt: „Stellwerk, zentrale Stelle des Eisenbahnbetriebes zur Herstellung und Sicherung von Fahrwegen im Bahnhofsbereich und auf Strecken; eine Anlage, von der aus Weichen und Signale ferngestellt werden können." Normalerweise sind Stellwerke wegen ihrer Funktion reine Zweckbauten. Sie müssen nicht unbedingt einen architektonischen Schönheitsideal entsprechen. Trotzdem machten sich vor über hundert Jahren die Architekten die Mühe, auch bei den Stellwerksbauten eine bestimmte architektonische Ausdrucksform mit einfließen zu lassen. Besonders dort, wo der Fahrgast die Stellwerke wahr nahm. Als Beispiel nenne ich den Bahnhof Tegel: Das Stellwerk Tgl am Bahnsteig wurde 1905 von Karl Cornelius errichtet. Er baute auch die anderen Stellwerke des Bahnhofs Tegel, Tsb und Tnb. Während das Stellwerk Tgl mit Rundbogenfenstern und einen formschönen Erker versehen wurde, wurde das am damaligen Gaswerk Tegel stehende Stellwerk Tsb sehr schlicht gebaut, weil man am südlichen Ende des Bahnhofs nichts repäsentieren musste.
Karl Cornelius (1868 bis 1938) war eine der Kapazitäten im Eisenbahn-Hochbau. In seinem Dezernat begann Richard Brademann als Hilfsarbeiter. Von Cornelius stammen die Empfangsgebäude der Bahnhöfe Lichtenberg-Friedrichsfelde und Rahnsdorf[1], sowie die Stellwerke Mwt (Bahnhof Moabit mit Wasserturm) und das Stellwerk Lio des Bahnhofs Lichterfelde Ost. Das ehemalige Stellwerk Tgl am Bahnsteig steht unter der Nummer 09011883 der Denkmalliste Berlin, Stand 11. August 2009, unter Denkmalschutz. Gleichfalls unter Denkmalschutz (Nr. 09012287 der Denkmalliste Berlin) stehen die in der Form der Neuen Sachlichkeit 1934 von Richard Brademann erbauten Stellwerke Rwb und Rkd des Bahnhofs Reinickendorf.
Auf der Kremmener Bahn herrschte die mechanische Stellwerkstechnik vor. Die Deutsche Reichsbahn baute noch 1934 neue mechanische Stellwerke (siehe Rwb und Rkd), obwohl zu dieser Zeit die elektrische Stellwerke mehr als ausgereift waren. Ich vermute, dass dahinter eine Kostenfrage steckte. Die einzigen elektromechanischen Stellwerke auf der Kremmener Bahn standen in Hennigsdorf. Hier ist der Einfluss der AEG deutlich zu spüren, denn die beiden Stellwerke Hnd und Hno waren mit Hebelwerken der Bauform AEG ausgerüstet. Das Stellwerk Hnd erhielt nach dem zweiten Weltkrieg ein Stellwerk der Bauform Gaselan, ein Nachbau eines Mehrreihenhebelwerks der Bauform Pintsch, das in den sechziger Jahren durch ein Gleisbildstellwerk der Bauform Gaselan ausgetauscht wurde. Als Kuriosität am Rande sei erwähnt, dass das Gleisbildstellwerk Formsignale steuerte. Meines Wissens einzigartig in Deutschland.
Mit dem Bau der Autobahn Berlin Hamburg wurden auch die Anlagen des Bahnhofs Tegel beeinflusst. Die Deutsche Reichsbahn konnte als Ausgleich für die Änderungen, die der Autobahnbau mit sich brachte, beim Senat von Berlin-West ein Neubau eines Stellwerks durchsetzen. Aus diesem Grund erhielt der Bahnhof Tegel 1987 ein Spurplanstellwerk der Fa. Siemens angepasst an die Normen der Deutschen Reichsbahn (DDR). Mit der Inbetriebnahme des Streckenabschnitts Tegel bis Hennigsdorf 1998 wurde im Bahnhof Heiligensee ein Gleisbildstellwerk der Bauform WSSB GsII errichtet. Dieses Stellwerk steuert neben dem Bahnhof Heiligensee auch den Bahnhof Hennigsdorf fern.