Das Gleichrichterwerk Tegel kurz vorgestellt:
Erbaut 1925/1926
Inbetriebnahme 1927
Architekt: Richard Brademann
Gleichrichterwerk versorgte von Reinickendorf bis Schulzendorf
Denkmalschutz: Ja
Benachbartes Gleichrichterwerk: Hennigsdorf
Inhalt dieser Seite:
Eine kurze Einführung zur Bahnstromversorgung
Exkurs: Kurzer Überblick über die Geschichte der S-Bahn-Bahnstromversorgung
Das Gleichrichterwerk Tegel
Die technische Rekonstruktion 1975
Von1984 bis heute mit Bildergalerie
Eine kurze Einführung zur Bahnstromversorgung
Die Kremmener Bahn wurde von den drei Nordstrecken als letzte Strecke elektrifiziert. Bei den Strecken nach Bernau und Oranienburg wurde die Stromversorgung mittels Umformer hergestellt. Die Industrie war vor der Elektrifizierung nicht in der Lage, Gleichrichter für die Leistungsanforderung der S-Bahn zu liefern. In der Zwischenzeit aber war die Entwicklung der Gleichrichtertechnik so weit fortgeschritten, dass die Deutsche Reichsbahn die Kremmener Bahn als Versuchsstrecke für die Gleichrichtertechnik auswählte.Bevor ich weiter das Gleichrichterwerk Tegel beschreibe, möchte ich kurz veranschaulichen, wie der Strom in die Fahrschiene kommt: Das Kraftwerk liefert Drehstrom mit 110 000 Volt. Er wird für die bahneigene Versorgung auf 30 000 Volt (30 kV) heruntertransformiert. Diese 30 kV werden im Gleichrichterwerk auf 1300 V Drehstrom heruntertransformiert. Durch die Verluste bei der Gleichrichtung im Gleichrichter werden 800 V Gleichstrom erzeugt. (Diese Angaben gelten für Quecksilberdampfgleichrichter). Die Gleichrichter sind wassergekühlt. Die Kühlanlage ist im Prinzip ähnlich wie die Kühlung beim Auto aufgebaut, siehe Zeichnung einer Rückkühlanlage hier. Danach erfolgt die Verteilung des Stroms auf die einzelnen Streckenabschnitte.
Das Gleichrichterwerk Tegel
Mit der Entscheidung, Gleichrichter statt Umformer anzuwenden, wurden auch andere Anforderungen an die Gebäudearchitektur gestellt: Gleichrichter sind ruhende Geräte mit einem verhältnismäßig geringen Gewicht. Daher konnten die Anforderungen an die Gebäudefundamente herabgesetzt werden. Mit dem Gleichrichterwerk Tegel beginnt eine neue Ära im Bau der Bahnstromversorgungsgebäude. Richard Brademann setzt hier erstmals die Verblendung mit rotbunten Klinkern ein, die bei allen seinen zukünftigen Bauten sein persönliches Gestaltungs- und Erkennungsmerkmal sein werden.
Das Gleichrichterwerk Tegel wurde 1925/26 an der Buddestraße 24/26 errichtet. Für die technische Ausrüstung genügt nur noch ein Gebäudekubus. Im Erdgeschoß werden die Transformatoren, Ölschalter und die 30 kV-Sammelschiene untergebracht. Im Obergeschoß befinden sich die Gleichrichter und die 800 V-Schaltanlage. Die technische Ausstattung erfolgte durch die Fa BBC (Brown Boveri & Cie - Baden, Schweiz). Zwischen der Straßen- und der Gleisseite gibt es Gestaltungsunterschiede. Die Fassade zur Straße hin wird durch die Lüftungsschächte der Transformatorenzellen geprägt. Die Lüftungsschächte – die bei den vorangegangenen Bauten im Innern angeordnet waren – wurden erstmals bei dem Gleichrichterwerk Tegel als prägendes Gestaltungselement nach außen verlegt. Die damals rot gestrichenen Stahltore für die Transformatoren- und Ölschalterzellen wurden zwischen den Lüftungsschächten angeordnet.Die Gleisseite ist ruhiger gestaltet. An den Gebäudeecken sind die über Eck geführten Treppenhäuser angelegt. Die Treppenhäuser schließen mit einer Abtreppung zu dem Gebäudemauerwerk hin ab. Dazwischen sind die Zellentore angeordnet. Über den Toren befindet sich eine gesimsartige Betonplatte. Sie dient neben den gestalterischen Zweck dem Regenschutz. Diese Platte wurde bei den Gleichrichterwerken in Tegel und Hennigsdorf erstmals angewendet. Sie wird für die zukünftigen Bauten Richard Brademanns das charakteristische Gestaltungselement sein.
Die technische Rekonstruktion 1975
Das Gleichrichterwerk Tegel speiste ursprünglich den Streckenabschnitt von Schönholz bis zur Mitte der Strecke Schulzendorf nach Heiligensee. Nach dem Mauerbau 1961 erhielt der Bf Heiligensee seine Stromversorgung nicht mehr vom Gleichrichterwerk Hennigsdorf, sondern vom Gleichrichterwerk Tegel. Das Gleichrichterwerk Tegel behielt seine ursprüngliche technische Ausrüstung bis zum Jahr 1975. Für die Modernisierung kaufte die Deutsche Reichsbahn der DDR bei der AEG ein fahrbares Unterwerk. Die DDR-Industrie konnte diese Technik nicht liefern. Dieses versorgte für die Dauer der Arbeiten die S-Bahn mit Strom. Das Werk erhielt Siliziumgleichrichter, die seit 1968 die alten Quecksilberdampfgleichrichter nach und nach ersetzten. Hier werden nur 660 V Drehstrom eingespeist die dann durch den Gleichrichter nicht nur zur Gleichspannung gerichtet sondern gleichzeitig zu 800 V hochtransformiert werden. Die Schaltschränke wurden als Leerschränke aus DDR-eigener Produktion gekauft. Die komplette elektrische Ausrüstung wurde in Eigenproduktion hergestellt. Neben der elektrischen Erneuerung wurden auch neue Kompressoren eingebaut. Das Gleichrichterwerk wurde zwar elektrisch ferngesteuert, Schalthandlungen wurden per Druckluft ausgeführt (z.B. Abschalten von bestimmten Streckenabschnitten).
Von 1984 bis heute
Das Gleichrichterwerk Tegel blieb auch nach der Betriebseinstellung der S-Bahn am 09.01.1984 in Betrieb. Die BVG führte auf der Strecke Tegel nach Reinickendorf ihre Probefahrten mit der neuentwickelten Baureihe 480 durch. Für den 1998 eröffneten Streckenabschnitt Tegel nach Hennigsdorf wurde am S-Bf Heiligensee ein neues Gleichrichterwerk erbaut. Es versorgt den Streckenabschnitt Schulzendorf—Hennigsdorf. Es ist im Stil eines Kleingleichrichterwerks, wie es als Standardtyp Richard Brademanns für die Ringbahn gebaut worden ist, errichtet. Das Gleichrichterwerk Tegel steht unter der Nr. 09011887 der Denkmalschutzliste Berlin vom 07. Juni 2010 unter Denkmalschutz.
Quellen und weitere Links
Weiterführende Informationen zur Bahnstromversorgung: http://www.s-bahnstromgeschichten.de/haupt1.htm
Susanne Dost, Richard Brademann (1884 bis 1965) Architekt der Berliner S-Bahn, Verlag Bernd Neddermeyer 2002
Funktionsweise eines Quecksilberdampfgleichrichters: http://www.quecksilberdampfgleichrichter.de/